Blick nach oben, blauer Himmel, der obere Teil eines Büroturms aus Glas und Stahl, ganz oben eine Betonkonstruktion, eine Antenne und in Blau die Buchstaben DLF (für Deutschlandfunk).

Deutschlandradio in Köln: Turm mit Sendungsbewusstsein

Die Gebäude des Deutschlandradios aus den 70er-Jahren im Süden von Köln verströmen Technikbegeisterung und Innovationswillen ihrer Zeit. Eine Betrachtung und Einordnung.

Oh ja, feine 70er-Architektur! Das gefällt mir und da mach ich doch mal „fix“ einen Blogbeitrag dazu – das war der Plan. Doch ich habe das Vorhaben ewig mit mir herumgetragen, bis das Funkhausfest zum 30. Geburtstag des Deutschlandradios einen passenden Anlass bot, darüber zu schreiben.

Es soll gehen um das Funkhaus des Deutschlandfunks – heute Deutschlandradio – am Raderberggürtel im Süden von Köln. Der markante Bau mit der Hängekonstruktion, von der später noch die Rede sein wird, befindet sich im südlichen Stadtteil Marienburg und wurde 1979 mit der ersten Sendungsausstrahlung in Betrieb genommen. Seit Anfang 2024 steht er unter Denkmalschutz. Als Zeitzeuge und technisch anspruchsvolles Gebäude aus der Zeit, in der der Bund auch noch richtig Geld ausgeben konnte für wichtige Bauaufgaben, hat das Funkhaus wirklich viele besondere Eigenschaften.

Außenaufnahme, Sommer, man sieht eine Gruppe von Türmen in rot, blau und braun. Die Fassaden sind aus Glas und Stahl.
Noch in trauter Runde: Die Gebäude des Deutschlandradios (rechts), die Türme der Deutschen Welle (links). Foto von Sommer 2019.

Auch für den Sender ist der Funkturm etwas Besonderes. Christian Sülz, Pressesprecher vom Deutschlandradio, erklärte mir beim Funkhausfest, dass der markante Bau – in Kombination mit dem Schwesterfunkhaus in Berlin – eine hohe identitätsstiftende Wirkung habe. „Der Entwurf von Weber war sehr klug und modern konzipiert. Weber hat den Sendesaal mit entwickelt als Veranstaltungsort. Und das ist das Kölner Funkhaus für den DLF bis heute: Ein Ort für den Dialog mit den Hörer*innen. Zusammen mit dem Standort in Berlin hat das Haus ost-west-deutsche Mediengeschichte geschrieben.“

Bis zum Abriss formten Deutschlandfunk und Deutsche Welle ein Ensemble

Bevor ich erzähle, was das Funkhaus in Köln ausmacht, daher zwei Abgrenzungen: Es gibt auch besagtes Funkhaus des Deutschlandradios in Berlin, dieses aus den 30er-Jahren und ebenfalls denkmalgeschützt. Hier entstehen vor allem die Kultursendungen. In Köln ist vor allem der Deutschlandfunk mit seinem Informationsprogramm sowie das junge Programm Nova angesiedelt. Und bis vor Kurzem standen in direkter Nachbarschaft zum Funkturm, um den es hier gehen soll, zwei noch größere Radiogebäude: die der Deutschen Welle (DW). Die ist mittlerweile nach Bonn umgezogen und residiert nun im ebenfalls spannenden Schürmann-Bau zu Füßen des Langen Eugen.

Blick auf Fassaden, von denen teilweise bereits die Verkleidung abgenommen ist als Teil der Abrissvorbereitung. Im Schattenwurf erkennt man die Silhouette eines benachbarten Gebäudes.
Bei meinem Besuch im Sommer 2019 liefen schon die aufwändigen Abbrucharbeiten der Deutsche-Welle-Türme – schließlich sollten Lärm und Erschütterungen den Sendebetrieb im Deutschlandradio nicht stören. Der Schatten zeigt, wie nahe die Gebäude zusammenstanden.

Die beiden DW-Türme in Nachbarschaft zum Deutschlandradio-Funkturm wurden unter großem Aufwand erschütterungsarm zurückgebaut und abgerissen. Unter großem Aufwand deshalb, weil sich beide Sendeanstalten Sockelbauwerk und Basisplatte teilten. Sie entstanden fast zeitgleich und in gewollter Nähe und Kooperation. Gemeinsam kosteten sie 325 Millionen D-Mark – das entspricht ungefähr heutigen 410 Millionen Euro. Heute wachsen an Stelle der Deutschen-Welle-Hochhäuser Wohngebäude heran.

Renommierter und erfahrener Architekt

So, und jetzt geht es los zum Gebäude. Der Deutschlandfunk als Körperschaft des Öffentlichen Rechts brauchte Platz und professionelle Arbeitsplätze. Unter Leitung der Deutschen Bau- und Grundstücks-AG in Bonn gab es daher einen Wettbewerb für ein Sendergebäude im Süden von Köln.

Schwarz-Weiß-Foto eines Gebäudeensembles mit Flachbauten und einem Büroturm. Im Vorder- und Hintergrund Wiese und Büsche.
Heinrich Böll soll die Gegend rund um den Deutschlandfunk noch als Niemandsland beschrieben haben. Heute ist das Funkhaus dicht umbaut. ©Deutschlandradio/Hans-Jürgen Wirth

Der Zuschlag ging an Gerhard Weber (1909-1986), erfahrener Architekt mit Studienjahren am Bauhaus in Dessau und Berlin und einer wechselvollen Karriere, die auch eine Station bei den Reichswerken Hermann Göring umfasste. Nach dem Krieg arbeitete er unter anderem beim Hochbauamt der Stadt Frankfurt am Main, als freier Architekt und hielt eine Professur für Entwurfslehrer an der Technischen Universität München, wo er seit 1955 auch als freier Architekt arbeitete. Weber hatte eine beeindruckende Liste von Entwürfen in seinem Portfolio. Dazu zählen Verwaltungsbauten, Kulturbauten und auch Wiederaufbauprojekte. Ein Schmuckstück bis heute: die Kleinmarkthalle in der Frankfurter Innenstadt. In den 70er-Jahren schuf er markante, technik-affine Gebäude wie die Post-Pyramide in der Hamburger City Nord oder die Hauptverwaltung der August-Thyssen-Hütte in Duisburg. Weber war zudem ein ausgewiesener Experte für Klang, Senden und Rundfunk, hatte er doch die Hamburgischen Staatsoper und das Nationaltheater in Mannheim entworfen.

Außenaufnahme eines mächtigen Verwaltungsgebäudes, das wie eine geköpfte Pyramide wirkt - die Form verjüngt sich nach oben, hat aber keine Spitze. Im Vordergrund eine Fußgängerbrücke, die über eine breite Straße direkt auf das pyramiden-artige Gebäude hinführt.
Als sie fiel, trauerten die Fans der Nachkriegsarchitektur. Von Gerhard Weber und Georg Küttinger gestaltet, entstand die ehemalige Oberpostdirektion, im Volksmund Post-Pyramide genannt, in Hamburg 1969 bis 1977. Als ich das Bild 2017 machte, hatten die Vorbereitungen für den Abriss schon begonnen.
Außenaufnahme eines streng gerasterten Verwaltungsgebäude mit Fensterbändern und grünlichen Fassadenelementen.
Die Hauptverwaltung der August-Thyssen-Hütte in Duisburg von 1972 aus der Feder von Gerhard Weber ist strenger in der Form als das Funkhaus, hat aber durch ihre markante Fassade ebenfalls eine starke Ausstrahlung. Die Fassade ist mit Brüstungstafeln verkleidet, die mit einer dünnen Kupferhaut überzogen sind.

Das Funkhaus in Köln entstand also in einer emsigen Schaffensphase, in der Neues ausprobiert und technischer Fortschritt gefeiert wurden. Und das bringt mich zur Gebäudestruktur. Das Besondere am über 100 Meter hohen Büroturm ist, dass seine 15 Stockwerke alle am inneren Betonkern und seiner kühnen Dachkonstruktion aufgehängt sind. Diese Hängekonstruktion habe ich bereits an anderer Stelle gesehen, aber sie ist nicht sehr verbreitet – teuer und schwierig, wie ich las. Wer diesen Turm gut findet, mag vielleicht auch der BMW-Vierzylinder in München (1972, Karl Schwanzer) oder die BP-Verwaltung in Antwerpen (1963, Leon Stynen), die nach dem gleichen Prinzip errichtet wurden. Der Turm des Deutschlandradios erhebt sich aus dreistöckigen Flachbauten, in denen sich Studios und technische Einrichtungen, der Kammermusiksaal und weitere Büros befinden.

Schwarz-Weiß-Aufnahme des Deutschlandradio-Funkhauses in Köln. Im Vordergrund Erdarbeiten und Brachflächen.
Nach dem Abriss der Nachbargebäude konnte man zu Beginn der 2020er-Jahre das Gebäudeensemble gut sehen. ©Deutschlandradio/Bettina Fürst-Fastré

Denkmalschutz würdigt den skulpturalen Gebäudekomplex

Logisch also, dass der Denkmalschutz sich auf die damals moderne Gebäudestruktur bezieht: „Vom Denkmalschutz sind zahlreiche prägnante Elemente und ausgewählte Bereiche des Gebäudekomplexes umfasst. So stellt die Stadt Köln unter anderem den Kammermusiksaal und die in diesem Bereich errichteten Studios und Regieräume unter Schutz. Gleiches gilt für die besondere Konstruktion und Anordnung von Hochhaus, Sockel, Quaderbau und Technikturm sowie Außenfronten und Fassadenelemente“, informierte eine Deutschlandradio-Pressemitteilung vom 29.01.2024.

Schwarz-Weiß-Foto in einem Sendestudio. Man sieht den Sprecher im Anzug von hinten, blickt ihm über die Schulter und sieht mehrere Menschen hinter einer Glaswand, die wiederum auf den Sprecher gucken. Links filmt jemand den Sprecher. Eine Uhr zeigt genau 2 Uhr.
Erste Sendung aus dem neuen Haus am 18.2.1979: Umschaltung des Sendebetriebs um 2 Uhr nachts mit den Nachrichten – und audiovisuell festgehalten! ©Deutschlandradio/Ludwig Rink
Schwarz-Weiß-Foto eines großen Mischpults, davor zwei Bürostühle, retro-futuristische Anmutung.
Produktionsstudio für Mono-Aufnahmen zur Zeit der Inbetriebnahme des Funkhauses. ©Deutschlandradio/Uli Imsiepen-Barth

Beim Fest zu 30 Jahre Deutschlandradio hatte ich Gelegenheit, das Gebäude von innen zu sehen, aber enttäuscht musste ich feststellen, dass es nur noch im großen Foyer der gestalterische Geist der Zeit atmet. Ein sehr schöner Fußboden zeugt von hochwertigen Materialien und Liebe zum Detail. Und das war auch gewollt, denn das Haus sollte von Anfang an kein Elfenbeinturm, sondern fürs Publikum offen sein, wie mir Pressesprecher Christian Sülz erklärte.

Schwarz-Weiß-Aufnahme: Blick von der Bühne in einen bestuhlten Saal mit verkleideten Wänden. Von der Decke hängen technische Geräte, am Bühnenrand Mikrofone.
Der Sendesaal heißt mittlerweile Kammermusiksaal. Und ist noch immer eine Augenweide. ©Deutschlandradio/Archiv Berlin

Ansonsten sehen Gänge und Flure, Aufzüge und andere öffentliche Bereiche aus, wie sie halt in großen Institutionen aussehen: eher langweilig. Aber das soll sich mit der anvisierten Renovierung des Hauses ändern. Gerüchteweise hörte ich, dass New-Work-Umgebungen Teil des Planungsprozesses sein könnten. Aber das ist – wenn auch für die Mitarbeitenden wichtig – nur ein Detail im Vergleich zu dem, was auf das Haus mit Blick auf energetische und technische Sanierungen zukommen wird. Denn ganz ehrlich, auch wenn das Funkhaus jünger ist als ich, ist es doch etwas in die Jahre gekommen. Und da steht dann viel Arbeit an. Umso besser also, dass das Haus nicht abgerissen wurde, sondern der Bestand jetzt ertüchtig wird. Ein super Zeichen und Signal an andere, die mit 70er-Immobilien hadern. Es geht!

Innenaufnahme, im Hintergrund eine Wand mit farbigen Architekturfotos. Im Vordergrund ein Holzmodell der Gebäudegruppe.
Das Modell des Gebäudes, aufgenommen im November 2024 vor dem Hintergrund einer kleinen Ausstellung über Architekt Gerhard Weber und seine letzte große Kreation.

Vielen Dank ans Presse-Team vom Deutschlandradio fürs Zurverfügungstellen der historischen Fotos! Alle anderen habe ich gemacht.

 

Summary

The Deutschlandradio building in Cologne, built in 1979, is a striking example of 1970s architecture and was recently declared a historical monument. Designed by Bauhaus-trained architect Gerhard Weber, the structure features a unique suspended construction method, similar to other notable buildings like Munich’s BMW Tower. The radio station’s headquarters, along with its now-demolished neighbouring Deutsche Welle towers, played a significant role in broadcasting history and identity. While the exterior retains its architectural charm, much of the interior has lost its original character, though renovations aim to modernize the space. The preservation of this iconic building serves as a strong signal that revitalizing 1970s architecture is both possible and worthwhile.