Dornröschen schläft noch: Alte Tabakfabrik vor der Konversion

Nicht mehr Produktionsstandort, noch nicht modernes Quartier: Die ehemalige Rotag-Tabakfabrik im Karlsruher Stadtteil Grünwinkel befindet sich mitten im Übergangsprozess. Am Tag der offenen Tür gab es Gelegenheit für Fotos.

Mit Strukturwandel bin ich im Ruhrgebiet aufgewachsen – aufgelassene Areale voller Brombeerbüschen, die auf neue Nutzung warteten, der Nervenkitzel beim Erkunden der Gelände, dann schließlich manchmal der Abriss oder der Einzug von Händlern, Büros oder Kulturinstitutionen. Deshalb war ich gespannt, wie sich die Situation in meiner Wahlheimat Karlsruhe präsentiert. Hier liegt eine ehemalige Tabakfabrik mit sieben Gebäuden auf einem drei Hektar großen Areal brach.

Das Areal der Tabakfabrik ist so groß, dass die Stadt es nicht „einfach“ in einen modernen Gewerbestandort umwandeln will – die Rede war vor einem Jahr etwas größer dimensioniert von einem „hippen Viertel“. Konkrete Planungen gibt es noch nicht.

Aus einer Schreinerei wird eine Tabakfabrik

Die Tabakfabrik am Westbahnhof entstand Anfang des 20. Jahrhunderts als Tischlerei der Firma Billing & Zoller. Schönes Detail: Billing und Zoller übernahmen in den 20ern den Innenausbau der Börse in Essen – heute das nach dem Krieg wieder aufgebaute Haus der Technik. Aber zurück nach Karlsruhe: Die beiden markanten Gebäude aus der Bauzeit, die Direktorenvilla und die Sheddachhalle mit den spitzen Giebeln, sind auch die optisch stärksten. Man sieht sie von der Grünwinkler Brücke, die den gleichnamigen Stadtteil mit der Weststadt verbindet. Ich habe sie schon vor ein paar Jahren auf einer Fototour entdeckt, mich aber nicht weiter aufs Gelände getraut. Zu Recht, denn auch wenn es in den Nuller-Jahren schon recht still war dort, so blieb die Mutterfirma der Rotag bis 2021 auf dem Gelände. Im Laufe der Jahrzehnte hat die Rotag zwischen den 30er- und den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts weitere Gebäude hinzugefügt; manche markant und selbstbewusst, andere eher schlicht und einfach.

Und was geschah in der Tabak“fabrik“? – Rohtabak wurde dort gelagert, vergoren und für die Weiterverarbeitung vorbereitet. Da sich die größten Tabakanbaugebiete Deutschlands in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz befanden, scheint mir der Standort Karlsruhe auch durchaus logisch für diesen kleinen, speziellen Fertigungsschritt. Diesen beherrschte die Firma offenbar sehr gut, denn sie war immerhin rund 90 Jahre am Standort tätig. Heute ist sie nach Frankreich umgezogen.

Weitere Nutzung noch offen – Planungswerkstatt soll Klarheit bringen

Wie es weitergeht, ist laut einem BNN-Artikel noch offen. Es soll kein „zweiter Schlachthof“ werden in dem Sinne, dass dort ausschließlich Raum für Kunst- und Kreativschaffende entsteht. Aber eine teilweise kulturelle Nutzung ist denkbar. Auf Basis der Ergebnisse einer bereits im vergangenen Jahr erfolgten Leitbildwerkstatt soll noch 2023 eine Planungswerkstatt mit Fokus auf die städtebauliche Entwicklung anschließen, schreibt die Eigentümerin, die Fächer GmbH, auf ihrer Website. Ich bin gespannt! Gegen eine schöne Draußengastro wäre ja zum Beispiel schonmal nichts einzuwenden …

Am Tag der offenen Tür am 24. September gab es die Gelegenheit, die leerstehende Industriearchitektur mit der Kamera zu erkunden. Keine Bildunterschriften diesmal, weil ich mich fast ausschließlich von Licht und Lust habe leiten lassen …

weißes Gebäude mit Sägezahndach, also gestaffelten Pultdächern. Die Fenster mit Glasbausteinen, blauer Himmel, im Vordergrund sind Fahrräder geparkt

Summary

For roundabout 80 years, Rotag Tobacco company has prepared and stored tobacco in their premises in Karlsruhe. The oldest buildings date back to the 1910s, today there are seven buildings left after Rotag ceased business there. The city of Karlsruhe will transform the premises into a „hip quarter“. Its function is still unknown. The article shows pics from an open-door day.