English summary below
„Da hamse aber Glück“, hörte ich und verstand erstmal nicht, warum ich jetzt so ein sonntäglicher Glückspilz sein sollte. Es war Sommer, es war schon in der Frühe entsetzlich heiß und vor dem Gebäude, das ich fotografieren wollte, standen Lieferwagen und blockierten die Sicht. KEINE guten Aussichten, theoretisch, und dann sagt mir ein freundlicher Mensch, ich habe Glück. Also gut: Ich hatte zufällig den Tag der letzten Messe erwischt, die in der katholischen Heilig-Geist-Kirche in Essen-Katernberg gefeiert wurde. Und tatsächlich durfte ich mit Erlaubnis des Küsters hineinschlüpfen und im Eiltempo Bilder machen, während er nach dem Gottesdienst aufräumte. Besonders die mannshohe Kerze musste er in Sicherheit bringen, damit die in der Sommerhitze keinen Schaden nähme.
Highlight nahe Zollverein
Essen steht ja voller Nachkriegsarchitekturschätze. Diesen, die Heilig-Geist-Kirche, wollte ich schon länger besucht haben, denn der Architekt des markanten Gebäudes ist Gottfried Böhm, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiert.
Die Heilig-Geist-Kirche liegt nur ein paar hundert Meter nördlich des Haupteingangs zum UNESCO Welterbe Zollverein an der Straßenbahnlinie 107, der Kulturlinie, die Essen mit Gelsenkirchen verbindet. Sie ist ein frühes Werk des berühmten Kirchenbauers: Die Grundsteinlegung war 1956, Konsekration 1958.
Zur Kirche gehören noch ein Pfarrhaus, ein Jugendheim, ein Kindergarten und ein Haus für den Küster. Trotz dieser sehr wirksamen Verankerung in der historischen Scholle zeigt die Architektur den Gedanken der Flüchtigkeit: Die Dachform symbolisiert ein Zelt, beziehungsweise überhängende Tücher, und bezieht sich auf Hebräer 13, 14: Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die künftige suchen wir.
Denkmalgeschützt mit unklarer Zukunft
Seit 2019 steht die Heilig-Geist-Kirche in Katernberg unter Denkmalschutz. Wie es jetzt weitergeht? Der Gedanke des Nicht-Beständigen bewahrheitet sich, denn der Kirchenvorstand und der Pfarrgemeinderat entschieden bereits 2017, das Gottehaus einer neuen Nutzung zuzuführen. Es gebe erste Anfragen von freikirchlichen Gruppierungen, die an einer Nutzung des Gebäudes für ihre geistliche Gemeinschaft interessiert seien. Hoffen wir, dass sich für den schönen Bau etwas Passendes findet. Die Bleiglasfenster seien zwar sehr schön, aber der Bau schwer zu temperieren, wurde mir bei meinem Blitzbesuch erzählt. Das wird also nicht einfach.
Mir gefällt die Kirche, weil sie in heiterer, entspannter Weise vorwegnimmt, wofür Böhm später berühmt wurde: den Respekt vor dem Material und eine skulpturale Formensprache. Sie ist einfach und komplex zugleich, lichtdurchflutet und intim. Ich liste hier nicht alle künstlerischen Details auf. Diese finden sich wunderbar aufbereitet auf der Seite der Kirche, die ich unten verlinke, oder in den Bildunterschriften.
Weiter, immer weiter … wer noch mehr wissen will, für den gibt’s hier Links:
- Liebevoll zusammengestellte Details zum Gebäude und zu den Kunstwerken – besonders auch den Fenstern unter St. Jupp
- Schöne Würdigungen Böhms zum 100. Geburtstag bei der Deutschen Welle und bei der Neuen Zürcher Zeitung
- Die sehr, sehr, sehr ausführliche Denkmalbeschreibung als PDF
Summary
Pritzker prize winner Gottfried Böhm designed Church of the Holy Spirit in the second half of the 50s in my hometown Essen. The sculptural shape reminds us of a tent – a fleeting structure which foresaw the current situation: The church is listed and protected, yet since this summer not a church any more. The congregation opted for another church building to serve as their future spiritual home. Tipp: it’s ony one tram stop from UNESCO heritage Zollverein.