Der Weg nach Saarbrücken ist kurz, aber ohne Auto doch lang: Die Hauptstadt des Saarlandes ist mit dem Zug sagenhaft schlecht erreichbar. Und das sagt schon viel aus über eine Landeshauptstadt, die ihre Flussufer in den 60er-Jahren mit vielspurigen Autobahnen überbaute. Nach der Ankunft ist das aber bald vergessen – ist Saarbrücken doch voller Schätze der Nachkriegsmoderne.
Aus meiner Besuchsperspektive waren zwei Sachen wichtig zu wissen: Saarbrücken wurde im Krieg sehr stark bombardiert mit der Folge, laut Wikipedia, dass das Stadtgebiet im Zentrum zu 90 Prozent und in den Randgebieten zu 60 Prozent zerstört war. Von 130.000 Einwohnern waren bei Kriegsende noch 7.000 in der Stadt. Dieser dramatische Einschnitt in die Stadtgeschichte bedeutet, dass einfach alles umfassend neu gebaut werden musste. Besonders viele vorbildliche und schöne Schulen entstanden in der Zeit, die ich aber beim Erkunden ausgelassen habe.
Der zweite wichtige Punkt ist, dass das Saarland nach dem Krieg und bis 1955 einen ungewöhnlichen Status hatte: Es befand sich ab Kriegsende unter französischer Militärregierung. Schon zwei Jahre später wurde es ein autonomer Staat, der aber organisatorisch eng an Frankreich angelehnt war. 1955 gab es eine Abstimmung über das so genannte Saarstatut, in deren Folge das Saarland ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland wurde.
Frankreich hatte also Einfluss auf den Wiederaufbau nach dem Krieg in Saarbrücken. Auch in Frankreich habe ich schon etliche beeindruckende Beispiele durchgeplanten Wiederaufbaus gesehen, zum Beispiel in Marseille, in Rouen oder – bekanntestes Beispiel – Le Havre, wo Auguste Perret der Stadt seinen planerischen Stempel aufdrückte. In Saarbrücken sollte das der Stadtplaner und Architekt Georges-Henri Pingusson und eine Gruppe französischer Stadtplaner einen umfassenden Plan entwickeln, der aus zahlreichen Gründen aber nicht zum Tragen kam. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass die saarländische Nachkriegsmoderne sich etwas anders anfühlt, eine eigene Ästhetik hat, auch wenn ich noch nicht ganz benennen kann, woran das liegt. Pingusson jedenfalls ist bis heute prominent im Stadtbild vertreten, dazu weiter unten.
Jetzt geht’s auch schon los. Die Infos zu den einzelnen Objekten schreibe ich in die Bildunterschriften, Links zu den Planungsquellen weiter unten. Viel Spaß beim Spaziergang.
Saarbrucken is the capital of Saarland in Western Germany and located in a region dominated by coal and heavy industry on the French border. Greatly destroyed during the war, Saarbrucken and its neighbouring towns were rebuilt in a time Saarland was independent from Germany and oriented towards France. Therefore, post-war modern buildings and town planning in the region have their own distinctive feel to them. These photos were taken during a 2 day archi tour in February 2020.
Ein herzliches Dankeschön an Tobias und Robby, die mir einen Tag gemeinsames Erkunden geschenkt und mir Saarbrücken mit seinen vielen Eigenheiten näher gebracht haben.
Hinweisen möchte ich noch auf folgende nützliche oder/und schöne Quellen:
Das Magazin moderne regional widmete Saarbrücken 2018 eine eigene Ausgabe. Interessant fand ich darin die Informationen über die deutsch-französischen Verflechtungen beim Planen und Bauen in der Nachkriegszeit.
Fotograf und Art Director Robby Lorenz dokumentiert schon länger das nachkriegsmoderne Saarbrücken. Hier gibt es eine wunderbare Galerie.
Der Architekturführer Saarland von Ulf Meyer und Marco Kany, Edition AK, 2019
Der französische Staat scheint der Probleme im Viertel zwar nicht Herr zu werden, aber er hat „Le Wiesberg“ in Forbach mit einer eigenen Publikation geehrt (frz.).