Bremerhaven hat eine kurze, turbulente Geschichte, die sich in einer vielfältigen Architektur widerspiegelt. Ich stelle spannende Bauten der letzten 120 Jahre vor. Möglicherweise ist besonders viel Nachkriegsarchitektur darunter.
English summary below
Vor gut 20 Jahren war ich schon einmal kurz in Bremerhaven. Der betrübliche Ort hinterließ damals keinen guten Eindruck. Diesmal kehrte ich mit mehr Zeit für Erkundungen zurück. Was ich fand, war viel Veränderung; ich habe zwar nichts wiedererkannt, aber interessante Entdeckungen gemacht.
Für die grobe Orientierung: Bremerhaven liegt am östlichen Ufer der Weser kurz vor deren Mündung in die Nordsee bei Cuxhaven. Man hat Tidenhub und ein richtiges Meergefühl mit Möwen und muffigem Schlickgeruch. Von Osten mäandert das Flüsschen Geeste durch die Stadt, wo es in die Weser mündet. Es formte mal eine Grenze zwischen verschiedenen Territorien und Kommunen, die sich mit Hafenanlagen gegenseitig Konkurrenz machten. Es gibt also zwei „alte“ Häfen, die heute ihre spezifischen Aufgaben übernommen haben. Und man findet mehrere Ortskerne, die Marktplätze, Wassertürme und Kirchen haben.
US-Besatzungszone mit Meereszugang
Der 18. September 1944 brachte dem städtischen Gebiet Bremerhavens Bombardierungen und die Zerstörung ganzer Stadtteile. Die Hafenanlagen blieben aus strategischen Gründen weitgehend verschont. Jedenfalls litt die Bevölkerung besonders unter dem Mangel an Wohnraum; der Druck, neu zu bauen, war hier besonders groß.
Der Zusammenschluss der Vorgängerstädte – auch mit Bremen – zu einem Bundesland fand nach dem zweiten Weltkrieg auf Betreiben der englischen und US-amerikanischen Alliierten statt. Bremerhaven war eine US-amerikanische Enklave in der britischen Besatzungszone, denn die Besatzungszone der Amerikaner lag eigentlich in Süddeutschland. Mit Bremerhaven waren der Zugang zum Meer und eine gute Logistik gewährleistet – immerhin setzte hier Elvis erstmals Fuß auf deutschen Boden.
Strukturwandel und Tourismus
In den 90ern, mein Gefühl trog mich nicht, stand die Stadt wirtschaftlich nicht gut da; die Amerikaner waren weg, die Arbeitslosigkeit lag bei rund 20 Prozent. Dank des Strukturwandels, den Bremerhaven energisch vorantreibt, und der noch immer „brummenden“ großen Hafenanlagen geht es der Stadt aber heute schon deutlich besser.
Die Anstrengung, touristische Attraktionen und Infrastruktur zu schaffen, hat aber leicht kuriose Blüten getrieben. Es ist eine seltsam aseptische touristische Meile entstanden. Ganz nah an der Stadt und doch in einer eigenen Welt am Ufer der Weser. Sie umfasst im Süden das Deutsche Schiffahrtsmuseum mit seinen vielen maritimen „Draußen-Exponaten“ zu Land und zu Wasser, das Klimahaus, den Hotelturm Sail City, ein Outlet-Center in mediterranem Stil, das Auswandererhaus, einen Zoo und in den Sommermonaten ein Riesenrad mit Kirmesbuden. Anspruch meets Trash, und das Ganze bitte schön clean. Tagsüber fährt nicht nur regelmäßig ein Straßenfegeauto herum, auch ein Polizeiauto dreht seine Runden; nachts röhren dann die Motoren aufgemotzter Autos.
Hafeninfrastruktur und Museumsarchitektur
Ob sich Bremerhaven einen Gefallen getan hat mit dieser Touristenmeile, kann ich nicht sagen. Denn die Stadt mit ihren Plätzen, ihrer interessanten Architektur, kleinen Läden, netten Cafés und ihren freundlichen Leuten scheint mir kaum von den Besucherinnen und Besuchern zu profitieren. Gut, etwas weniger LKW-Durchgangsverkehr und bessere Radwege täten dem Ganzen gut. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Ich habe versucht, ein bisschen von allem zu sehen und zu zeigen, auch etwas historische Hafeninfrastruktur ist dabei. Hier die Bilder der Bauten ab den 1910er-Jahren, ungefähr chronologisch geordnet. Die Ausbeute der Ausflüge nach Bremen und Cuxhafen lass ich mal weg – die hätten den Beitrag echt gesprengt. Viel Spaß!
Es folgt ein denkmalgeschütztes Backsteintrio im Überseehafen von Bremerhaven. Die Bilder sind leider nur Zufallstreffer beim Dokumentieren und daher nicht sehr gut. Alle drei Bauten stammen von den Architekten Karl Falge und Arnold Agatz, erbaut 1928-31. TIPP: Dort in der Nähe befindet sich eine Aussichtsplattform aus Seefrachtcontainern, die einen Blick auf die Autoverladeparkplätze und den Containerhafen gewährt.
Es folgt eine kleine Serie über die beeindruckend riesigen Packhallen der Fischerei aus den 20ern und 30ern im südlichen Teil von Bremerhaven, dem ehemaligen Hafen von Geestemünde. Hier gab es die ersten Eismaschinen, eine riesige Fischfangflotte und Gleisanschlüsse: Von hier wurden deutsche Großstädte mit dem gesunden und damals noch reich vorhandenen Eiweißbringer Fisch versorgt.
Weiter geht es mit der Architektur der Nachkriegszeit. Es gibt einige Bauten prominenter Architekten, und noch viel unrenovierte „Alltagsarchitektur“ in der Formensprache der Zeit
Damit sind wir dann bereits in der Postmoderne und bei der zeitgenössischen Architektur angelangt. Jetzt kommt auch nicht mehr viel, versprochen, aber ein paar Objekte fand ich ziemlich interessant.
Weiterlesen: Bei DOM Publishers gibt’s einen wie immer schönen und nützlichen Architekturführer zu Bremen und Bremerhaven.
Summary
Bremerhaven on the Weser estuary has a short and eventful history. The town has grown from two competing harbour places into a major trade harbour on the German coast. It used to be one of the worlds biggest industrial fishing harbours, bringing plenty of healthy fish to the industrialized cities. In WW II the town was heavily hit, so there’s was a major reconstruction effort which is still visible. In the new millennium, the town had to turn to new sources of income. It has put some effort in research and tourism. The result: A divided city with a disneyesque feeling to the tourist infrastucture and a slightly run-down feeling to the town itself. Interestingly, Bremerhaven was used by the American forces up to the 90s as a point for European logistics, while the American allied occupation zone was in Southern Germany. The pics show examples of local architecture from the 1910s to the summer of 2021.