Im Sommer 2020 bescherte mir der Zufall einen längeren Aufenthalt im Schwarzwald-Baar-Kreis – einer sanften Landschaft zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb. Hier entspringen Donau und Neckar, es gibt bekannte Ferienorte und völlig verschlafene Weiler; der Bus fährt sonntags alle zwei Stunden, wenn man nicht das Privileg hat, an der Strecke der berühmten Schwarzwaldbahn zu wohnen, die zum Beispiel in St. Georgen oder in der Hauptstadt des Kreises, Villingen-Schwenningen, sogar stündlich hält. Dichte, dunkle Nadelwälder machen dem Namen Schwarzwald alle Ehre und die Luft duftet wirklich nach Tanne!
Kein Revier also, in dem man architektonische Moderne vermutet, eher traditionelle Bauweise und viele geraniengeschmückte Balkone. Und doch: Es gibt sie, die Bauten der Nachkriegsmoderne im Schwarzwald, sogar ganze autogerechte Stadtentwicklungskonzepte. Sie sind schlecht bis gar nicht dokumentiert und werden von Tourismuszentralen und Stadtmarketing übergangen. Weil es noch (?!) keine Literatur über den Schwarzwald als Standort interessanter Architektur der 50er-bis 70er-Jahre gibt, fehlen leider weitgehend Infos zu den Architekten und zum Zustandekommen einzelner Gebäude.
Deshalb zeige ich jetzt hier eine ziemlich zufällig entstandene Sammlung von Bildern. Ich hatte nur mein iPhone dabei, weil ich nicht vorhatte, zu fotografieren. Eine Erkundung in kleinen Etappen, die teilweise das gesteckte Thema zeitlich und geographisch ein klitzekleines bisschen überdehnen. Viel Spaß!
Los geht es mit dem kleinen Ort St. Georgen, der sich in den 70ern komplett neu erfand und in dem Prozess wohl einiges an alter Bausubstanz zerstörte. Aus heutiger Sicht ein Trauerspiel – und die nächste Modernisierung steht bevor. Aber noch ist der Ort ein Traum aus der Schule der Nachkriegsstadtplanung.
A set of pictures of modernist architecture in Schwarzwald-Baar-Kreis, the South-Eastern part of the Black Forest. There is hardly any documentation, so I wasn’t able to find out much about the buildings that I saw during a few short day trips during my recent stay there. As I hadn’t planned to take pictures, these are iPhone snaps only. Stepping into modernism in the land of geranium balconies.
Mein erster Eindruck von St. Georgen im Schwarzwald bei der Ankunft mit dem Bus war dieses hübsche Nachkriegs-Gebäude, über das ich leider sonst nichts sagen kann.St. Georgen: Neues Rathaus, Architekt Robert Ackermann, 1966-72.Der Rathausbrunnen, vom Rathaus aus gesehen, lief bei meinem Besuch an einem heißen Tag leider nicht. Der Künstler Willi Dorn schuf 1970 die abstrakte Schwarzwaldtanne.Marktplatz in St. Georgen im Schwarzwald mit Blick auf die Post und das Glockenspiel, das 1984 zum 900-Jährigen Stadtgeburtstag errichtet wurde.Turm der 1961 geweihten katholischen St. Georgskirche in St. Georgen im Schwarzwald. Architekt war Berthold Haas. Weitere Infos gibt es hier.Das Altarbild der St. Georgskirche in St. Georgen im Schwarzwald wurde 1993 von Valentin Peter Feuerstein geschaffen.Der Bau des Hauptgebäudes der Firma Dold-Relais in Furtwangen startete 1961.1926-28 entstand das Rathaus der Stadt Schwenningen (heute Teil zwei von Villingen-Schwenningen). Architekt war Hans Herkommer.50er-Jahre Mosaik „Krieg und Frieden“ am Rathaus der Stadt Schwenningen aus den 20er-Jahren. Die Wandgestaltung schuf August Babberger.Kurioses Sparkassengebäude mit brutalistischer Fassadengestaltung in Schwenningen.Anfang der 80er neu gestaltet: Der Muslenplatz im Zentrum von Schwenningen. Im Vordergrund: Muslenbrunnen von Axel F. Otterbach, 1995.Das Einkaufszentrum City-Rondell in Schwenningen entstand ebenfalls zu Beginn der 80er-Jahre.Das City-Kino in Schwenninge steht leider schon seit Jahren leer. Ein Käufer scheint gefunden, ein Konzept für den Bau wohl noch nicht.Der moderne Bahnhof in Radolfzell entstand 1967-70.In Radolfzell am Bodensee gibt es vor allem sehr schöne historische Gebäude. Über diese Eingangsgestaltung im Hinterhof konnte ich leider nichts herausfinden.Am Ufer des Bodensees in Radolfzell steht ein Stück Architekturgeschichte: Der Prototyp für den deutschen Pavillon auf der Expo 1992 in Sevilla. Das heute denkmalgeschützte Konzertsegel wurde entworfen von Hrald Mühlberger vom Büro Ingenieurplanung Leichtbau 1989.Kurhaus – oder Haus des Gastes – in Königsfeld im Schwarzwald, 1970 – auch das Titelbild dieses Beitrags.In den 70er-Jahren errichtet, heute renoviert: Die Albert-Schweitzer-Reha-Klinik in Königsfeld im Schwarzwald. Teile davon dienten als Coronastation in der ersten Jahreshälfte 2020, ein anderer Gebäudeteil ist heute Altersheim.Zwischenkriegsschönheit: Villa Noll, Architekt Friedrich Noll, 1928. Denkmalgeschützt. Und ich hab was gelernt: spitzbogiges Tonnendach.70er (?)-Gebäude in Königsfeld im Schwarzwald. Darin befindet sich eine Arztpraxis.1969-72 entstand nach Entwürfen von Josef Laule die katholische Kirche St. Peter und Paul in Königsfeld im Schwarzwald. Unter anderem die vielen Kurgäste in dem kleinen, von der Brüdergemeinde gegründeten Ort, suchten einen Ort zur Einkehr.Jochem Poensgens schuf die künstlerische Gestaltung der Kirche St. Peter und Paul in Königsfeld im Schwarzwald – darunter die durchbrochenen Betonreliefs, die das Gebäude außen und innen umfassen. (Coronawarnschilder an der Tür retuschiert.)Die Kirche St. Peter und Paul aus den frühen 70er-Jahren ist erfreulich unrenoviert. Die Altarwand allerdings wurde Mitte der 90er-Jahre von Klaus Ringwald künstlerisch neu gestaltet.St. Peter und Paul in Königsfeld im Schwarzwald besteht vor allem aus Raum, der in die Höhe strebt: Zwei ineinandergeschobene Dreiecke bilden das zeltartige Dach, das ich von innen ganz wunderbar finde.